1853 – 1983
Wiener Neudorf
Im Jahr 1853 wurde durch Kaiser Franz Joseph I. die kaiserlich königliche „Weiberstrafanstalt“ Wiener Neudorf in Niederösterreich errichtet. Die Kongregation der Schwestern vom Guten Hirten war ausgewählt worden, diese Institution zu betreiben, was im damaligen Österreich ein absolutes Novum war. Die Einrichtung zielte auf die Resozialisierung der Häftlinge unter „klösterlichen“ Lebensbedingungen, um eine Umkehr im christlichen Sinne zu bewirken (Quelle: Wikipedia).
Als Kloster und gleichzeitig Gefängnis wurde in Wiener Neudorf südlich von Wien das ehemalige fürsterzbischöfliche Sommerschloss erworben und am 4. Oktober 1853 von den Klosterfrauen feierlich bezogen. Aus einem Asyl für verwahrloste Mädchen kamen 16 Mädchen als Büßerinnen oder Freiwillige in das Kloster. Diese Büßerinnen wollten nach Absolvierung ihrer Strafzeit im Kloster bleiben. Voraussetzung für den Verbleib im Kloster war gute Führung. Die ersten weiblichen Häftlinge kamen am 5. Januar 1854 aus dem Wiener Gefangenenhaus nach Wiener Neudorf.
Die inhaftierten Frauen saßen maximal zwei Jahre in der Anstalt ein. Weitaus häufigster Haftgrund waren Eigentumsdelikte, gefolgt von Vergehen gegen körperliche Sicherheit (vor allem Kindsmord). Sittlichkeitsdelikte spielten kaum eine Rolle. Als der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, dass geistliche Schwestern für die Leitung eines Frauengefängnisses verantwortlich waren, brachen heftige Diskussionen aus. Die liberale Presse kritisierte die Beteiligung der Kirche am Strafvollzug. Der Herausgeber und Chefredakteur der Wiener Medizinischen Wochenschrift, Leopold Wittelshöfer, verfasste heftige Schmähartikel gegen die Haftanstalt in Wiener Neudorf. Gegen ihn wurde sogar die Staatsanwaltschaft aktiv, da er gegen staatliche Institutionen hetzte und verurteilte ihn zu 20 Gulden Geldstrafe und einen Monat Arrest.
Neben der Beschäftigung durch Arbeit erhielten die Gefangenen Schulunterricht. Damit sorgten die Schwestern dafür, dass die jungen Frauen eine berufliche Perspektive erhielten. Nach dem Ersten Weltkrieg zogen sich die Schwestern von der Aufsicht über die weiblichen Gefangenen zurück. Die Anstaltsleitung wurde von einem Strafanstaltsdirektor übernommen, während sich die Schwestern vom Guten Hirten fortan in anderen Bereichen für die Anstalt und ihre Bewohnerinnen engagierten. Im Fokus stand dabei immer die schulische Bildung.
1949 eröffneten die Schwestern auf dem Gelände einen Kindergarten – und zwei Jahre später ein Jugendheim für straffällig gewordene Mädchen von 14 bis 20 Jahren, welche dort verschiedene Berufe erlernen konnten (Schneiderin, Köchin, Haushälterin). Diese Institution unterstand dem Justizministerium.
Zudem führte die Kongregation auf dem Gelände ein Wohnheim für Studentinnen aus Entwicklungsländern und Osteuropa.
1972 zogen sich die Schwestern aus Wiener Neudorf zurück.