Schwester Carmela Fässler

„100 Jahre Frieden“

Schwester Carmela Fässler

„Heiligkeit ist der lebendige Wille Gottes. Der Wille Gottes muss im Menschen lebendig sein. Eigensinnig sein, das geht nicht.“

„Die Arme und die Beine wollen nicht mehr, aber der Kopf funktioniert noch.“ Mit diesen Worten beschrieb Schwester Carmela Fässler ihren gesundheitlichen Zustand sehr treffend. Die am 4. Februar 2020 – zwei Tage nach ihrem 100. Geburtstag – friedlich verstorbene Appenzellerin war zuletzt zwar fast taub, aber Augen und Geist waren noch sehr wach.

Ihre friedvolle Ausstrahlung ist das, was in ihrer Gegenwart am meisten auffiel. Und dieser Frieden zieht sich wie ein roter Faden durch ihr gesamtes Leben: Sie stammt aus einer sehr religiösen Familie und wuchs mit vier Schwestern und fünf Brüdern in einfachen Verhältnissen auf. „Ich habe meine Geschwister sehr gerne gehabt und meine Mutter, die wie eine Heilige war, nahm ich mir zum Vorbild.“

Ihre Berufung für ein Leben im Kloster spürte Schwester Carmela schon als junges Mädchen. Ihre Tante lebte im Kloster und bei einem dortigen Besuch mit ihrer Mutter wurde Schwester Carmela sofort klar, dass sie ebenfalls in ein Kloster gehen wollte. „Diese Berufung war mir sehr wichtig und ich wollte sie bis zum heutigen Tag immer gut erfüllen.“ Am 2. Mai 1942 trat Schwester Carmela in Altstätten in die Kongregation der Schwestern vom Guten Hirten ein.

„Gott ist Gott und ich bin ein armer sündiger Mensch. Ich hatte nie die Idee, dass ich eine Heilige bin. Meine Mutter sah ich als eine Heilige. Heiligkeit ist der lebendige Wille Gottes. Der Wille Gottes muss im Menschen lebendig sein. Und das ist eine dauernde Anstrengung. Eigensinnig sein, das geht nicht.“

Von 1944 bis 1946 absolvierte Schwester Carmela eine Ausbildung zur Wäscheschneiderin in St. Gallen, bevor sie für 23 Jahre die Lehrmeisterin in der Weiß- und Konfektionsnäherei in Altstätten wurde. „Unsere Aufgabe war es, die Mädchen auf den rechten Weg zu bringen, wobei die schwierigsten Kinder mir immer hinterherliefen“, erinnert sich Schwester Carmela. 1968 wurde ihr die Leitung der Gemeinschaft der kontemplativen Schwestern anvertraut. 1977 erfolgte ihre Versetzung nach Fribourg, wo sie die Buchhaltung der Gemeinschaft übernahm. Ein Jahr später wurde sie in Fribourg zur Oberin ernannt.

Im folgenden Jahr fiel ihr die schwierige Aufgabe zu, für die Schwestern ein neues Wirkungsfeld zu erschließen. Nach reiflicher Überlegung wurde das Haus in ein Heim für betagte Rentnerinnen und Rekonvaleszentinnen umgewandelt. Sr. Carmela erkannte die Möglichkeit, diesen Frauen im Alter einen frohen, von christlichem Geist geprägten Lebensabend zu gestalten.

Auch hier half Schwester Carmela ihr unerschütterlicher Glaube an Gott: „Wenn ich nicht mit Gott arbeite, kann ich anderen auch nicht helfen. Mit Gott wird alles gelingen so wie er es will. Ich weiß ja nicht alles, was Gott von den Menschen will. Aber etwas weiß man schon: Er will die Menschen glücklich machen. Es soll alles von Liebe geprägt sein.“

Nach sechs Jahren als Oberin in Fribourg wurde Schwester Carmela 1984 zur Oberin in Altstätten ernannt. Dort fiel ihr die Aufgabe zu, die Gemeinschaft auf große Veränderungen vorzubereiten. 1988 erfolgte die Übersiedlung der Schwestern nach Fribourg. Drei Jahre später kehrte auch Schwester Carmela nach Fribourg zurück, wo sie das Amt der Sakristanin übernahm.

Das Gebet spielt im Leben von Schwester Carmela und ihren Mitschwestern eine zentrale Rolle. „Wir haben alles zum lieben Gott gebracht, er musste das in Ordnung bringen. Ich konnte das nicht, aber Gott kann es. Das Leben ist interessant, wenn man mit Gott arbeitet.“ Für sie ist das Wort Gottes „die Grundlage für die Zukunft und ich wünsche mir, dass die Menschheit erkennt, dass es ohne Glauben nicht geht. Leider geht der Glaube in der heutigen Zeit verloren und das ist nicht gut.“

Spiritualität ist für Schwester Carmela der Schlüssel zum Glück. „Ich spüre Gott in mir und ich war von klein auf gewohnt, auf das zu hören, was Gott will. Deshalb hatte ich ein schönes Leben. „Wenn man das Leben nicht als schön betrachte, dann habe man es nicht richtig behandelt.“

Als Hundertjährige hat Schwester Carmela nur noch einen Wunsch: „Dass mich Gott begleite an die ewige Stätte, die er mir schenken will. Ich werde das nehmen, was Gott mir gibt. Was von Gott kommt, ist immer das Beste.“ Dieser Wunsch wurde Schwester Carmela am 4. Februar erfüllt – zwei Tage nach ihrem 100. Geburtstag.

„Ich spüre Gott in mir und ich war von klein auf gewohnt, auf das zu hören, was Gott will. Deshalb hatte ich ein schönes Leben.“