Schwester Benedicta Freigaßner

„Alles im Leben hat seine Zeit“

Schwester Benedicta Freigaßner

„Ich würde gerne selber noch helfen, aber das geht jetzt nicht mehr. Alles im Leben hat seine Zeit. Das Gute und das weniger Gute.“

„Muss das denn sein?“ Die Eltern von Schwester Benedicta waren nicht sehr begeistert, als ihre Tochter 1956 dem Orden der Schwestern vom Guten Hirten beitreten wollte. Auch ihre Freunde rieten ihr ab: „Das ist nichts für ein so lustiges Mädchen wie Dich“.

Doch durch solche Aussagen wurde die junge Frau nur noch bestärkt, das für sie Richtige zu tun. Damals war Benedicta 21 Jahre jung und bereits eine ausgebildete Lehrerin. Ihrem Entschluss für ein Leben als Schwester war ein jahrelanger Reifungsprozess vorausgegangen. „Ich hatte keine spezielle geistige Erfahrung gemacht. Mein Wunsch hatte sich über einen längeren Zeitraum in meinem Innern entwickelt und meinem Herzen die Antwort gegeben“, so Schwester Benedicta, die diesen Prozess „gar nicht in Worte fassen“ kann. Zuvor hatte sie eigentlich ganz andere Pläne für ihr Leben. „Ich war ein Gasthauskind, hatte Spaß am Singen und Musizieren und wollte eine Mutter mit 12 Kindern werden,“ erinnert sie sich.

In dieser Überzeugung ergriff sie zunächst den Beruf der Lehrerin, wobei auch Religion zu ihren Fächern zählte. „Religion hat mich schon immer angezogen“, so die 84jährige, die anfangs in Kapfenberg in der Steiermark unterrichtete. „Da war eine Arbeiterpfarre mit Jugendlichen, welche in Armut aufgewachsen sind – da war nicht viel los mit Religion“, so Sr. Benedicta. Vom dortigen Pfarrer, einem ehemaligen KZ-Häftling, hatte sie viel über die Zeit des Krieges erfahren. „Das hat mich als jungen Menschen sehr bewegt und so langsam ist meine Berufung gewachsen“.

Danach hatte sie sich mit verschiedenen Orden auseinandergesetzt und über eine Mitschülerin – Schwester Maria Cordis – lernte sie die Schwestern vom Guten Hirten kennen. „Für Jugendarbeit hatte ich mich schon immer interessiert und das Helfen für Jugendlichen in Not sprach mich sofort an“.

Nach dem Noviziat („Das waren zwei Jahre der Stille, aber das musste sein.“) übernahm Schwester Benedicta in Graz bereits eine Mädchengruppe. „Jetzt hatte ich meine Kinder, die ich mir ursprünglich gewünscht hatte“, lacht Sr. Benedicta, die als Lehrerin eine solide Vorbildung mitbrachte. „Die Arbeit mit schwierigen Jugendlichen hat mich sehr interessiert. Für mich galt: Je schwieriger, desto besser“. Sie arbeitete als Lehrerin und Erziehungsleiterin und ging gerne mit den Jugendlichen in die Berge. Das Singen und Musizieren hatte für Schwester Benedicta dabei immer hohe Priorität. Zu ihren vielseitigen Qualifikationen gehören einige heilpädagogische Prüfungen, die sie bei Prof. Hans Asperger in Wien absolvierte. Auch unter ihren Schützlingen befand sich damals ein Mädchen mit dem nach ihm benannten Asperger-Syndrom (einer Form des Autismus). „Man weiß am Anfang gar nicht, wie man mit so einem Menschen umgeht, aber man lernt sehr viel daran“. Diese Erfahrung gehöre zu den „besonderen Erlebnissen“ während ihrer Zeit als Schwester.

„Junge Mädchen aus armen und schwierigen Familiensituationen haben mich und mein Herz immer berührt und am meisten angesprochen. Für diese Menschen wollte ich einfach da sein wie eine Mutter. Ich fragte mich immer: Was haben die alles erlebt? Was muss in deren Wesen zerbrochen sein? Wie kann ich helfen? Sicher nicht nur mit Verboten. Verändern kann nur die Liebe und das Verständnis und die Versöhnung“, beschreibt sie ihre Arbeits- und Denkweise.

Mit dieser Einstellung kam Schwester Benedicta gut an – nicht nur bei den Mädchen, sondern auch bei ihren Mitschwestern. Sie wirkte beharrlich und liebevoll bei den Mädchen als Erzieherin und Lehrerin in den Niederlassungen Klagenfurt, Graz und bis 1987 in Baumgartenberg als Heimleiterin. Im Herbst 1987 übernahm sie das Amt der Provinzleiterin für die Provinz Österreich. „Das war keine leichte Zeit, aber es hat mir Freude gemacht, dass ich im Orden etwas bewegen konnte und viel herumgekommen bin.“ Nach neun anstrengenden Jahren in dieser verantwortungsvollen Position durfte sie zwischen 1996 und 1997 ein Sabbat-Jahr verbringen und nutzte diese Zeit für einen Besuch der Ordenshäuser in Amerika.

Anschließend übernahm sie als Oberin die Leitung von Baumgartenberg bis 2002. Die nächste Station für Sr. Benedicta war eine kleine Kommunität in Wien. Nach einer lebensbedrohlichen Lungenembolie kam sie nach Salzburg, wo die älteren Schwestern einen ruhigeren Lebensabend verbringen konnten. „Das Leben ging ruhiger weiter und das hat mir gut getan.“

Wenn Schwester Benedicta einen Wunsch frei hätte, würde sie gerne weniger Menschen leiden sehen, die zum Beispiel ihre Heimat verlieren. „Ich würde gerne selber noch helfen, aber das geht jetzt nicht mehr. Alles im Leben hat seine Zeit. Das Gute und das weniger Gute.“

Ihre Botschaft an die Menschen lautet: „Richtet Euer Leben nach dem Guten Hirten aus. Helfen Sie Menschen, die innerlich oder äußerlich leiden. Man kann viel Gutes tun, indem man mit den Menschen spricht und ihnen zuhört, für den Menschen da sein. Man glaubt gar nicht wie bedürftig Menschen sind, sich mitzuteilen und zu spüren, dass man das wahrnehmen kann, was sie zu tragen haben.“ Mit dem Erteilen von Ratschlägen solle man hingegen sehr sparsam umgehen: „Ratschläge sind auch Schläge. Damit sagt man dem anderen, dass er bisher vieles falsch gemacht hat.“

„Man kann viel gutes Tun, indem man mit den Menschen spricht und ihnen zuhört. Man glaubt gar nicht wie bedürftig Menschen sind, sich mitzuteilen und zu spüren, dass man das wahrnehmen kann, was sie zu tragen haben.“